Ich komme momentan nicht so richtig ins Musikjahr 2009 rein, trotz Franz Ferdinand, Bon Iver und Co. at the Gates. Dafür scheine ich einen möglicherweise auch jahreszeitlich bedingten Hang zum Vergangenen zu haben.
Dieser Tage dudelte des Morgens einer der neuen Oasis-Songs aus dem Radio. „Ach Gott, es gibt Schlimmeres“, dachte ich so bei mir. Aber Besseres eben auch.
Einige der werten Leser werden es sicher noch erinnern: In einer Zeit weit vor Maximo Park, Bloc Party und wie der nächste Hype dann jeweils heißt, gab es einmal eine junge Band aus Manchester, welche die Beatles offensichtlich ganz lieb hatte. Diese Liebe teilte sie mit vielen anderen Menschen der Insel. Außerdem kamen die Jungs aus dem Norden des Landes und sprachen so herrlich pittoresk. Man verstand nicht alles, was sie von sich gaben. Das gefiel vielen Inselbewohnern scheinbar sehr. Und so wurde Oasis mit ihrem Debütalbum Definitely Maybe 1994 schnell zum großen Ding in the UK.
Ungefähr zur gleichen Zeit gab es eine weiter junge Band aus dem Süden der Insel, genauer gesagt aus London. Diese Band hatte offensichtlich dieses und jenes musikalisch zum Vorbild, sicher auch die Beatles und die Kinks. Viele fanden sie ein wenig posh. Blur jedenfalls hatte just 1994 das dritte Album Parklife draußen, dessen erste Singles wie Girls & Boys und Parklife ebenfalls gleich die Insel smashten. Der erste Akt im „Battle of Britpop“ war eröffnet. Blur gewann 1995 zwei BRIT Awards. Sie galten als die cleveren Bürschchen, Oasis als die leicht ungehobelten, aber irgendwie auch liebenswerten Publads.
Beide Bands feierten gepflegt ihre Inselheritage und die eine oder andere musikalische Wurzel der Heimat ab. Zusammen mit der britischen Triphop-Welle bildeten sie so etwas wie der Speerspitze des Anti-Grunge. Wer keinen Bock mehr hatte auf Pearl Jam, Nirvana und so fort, fand Blur, Oasis und ihre direkten Vorgänger Suede (hey, dazu mache ich auch mal einen kleine Beitrag, zu Brett!) meist recht abwechslungsreich. Pulp durfte da natürlich auch nicht fehlen.
1995, als ich mich in Florenz befand, ging der Battle of Britpop, Oasis vs. Blur, bereits in die zweite Runde. Vergleichsweise zeitnah waren die Alben (What’s the Story) Morning Glory sowie The great Esacpe erschienen. Insbesondere unter jungen Briten galt es als Glaubensfrage: Oasis oder Blur? Und mein Mitbewohner J. war nicht nur Engländer und fanatischer Musikfan, sondern auch noch ein echter Mancunian und ManCity-Fan. Er liebte Oasis, zeitweilig latent abgöttisch. Ich liebte Blur. Vor allem aber ging mir dieser Oasis-Kult einfach tierisch auf den Zeiger. J. fuhr nach Mailand zum Konzert von Liam und Noel und erklärte (What’s the Story) Morning Glory mehr oder weniger zum besten Album seit Revolver. Hä? Schon aus Trotz schaute ich mir Blur in Firenze an und ärgerte mich ein wenig, dass nach dem sehr intelligenten Album Parklife mit The Great Escape tatsächlich massenkompatibler Britschiss aus dem Hause Blur kam. Dennoch hielt ich eisern daran fest: Blur hatte für mich musikalisch mehr Potential. Außerdem hatte Damon Albarn mit Justine Frischman, Frontfrau von Elastica die denfinitiv interessantere Freundin. Nichts gegen Kensit und Appleton, Justine war einfach cooler, aber lassen wir das. Die Songs von Blur waren einfach nicht so bierernst, recht pathosfrei, also so ziemlich das Gegenteil der Brüder Gallagher, die sich zeitweilig glaub ich echt für die Gralshüter der britischen Popkultur und die Reinkarnation von Paul und John hielten.
Der Battle of Britpop fand jedenfalls damals in Florenz Tag für Tag in unserer WG statt: Mein werter Mitbewohner J. beschallte das Wohnzimmer mit Champagne Supernova, ich hielt in meinem Zimmer mit This is a low dagegen. Wir schlossen nach fruchtlosen Battles dieser Art häufig in der Küche bei einem Espresso und Paul Weller oder Radiohead den Burgfrieden. Manchmal grätschte auch unser französischer Mitbewohner G. frech dazwischen und schob Gilbert Becaud in den CD-Player.
Ein paar Jahre später besuchte ich den einstigen Oasis-Jünger J. in London. Beim Stöbern in seinem CD-Regal fielen mir folgende Alben in die Hände:
Blur (Blur), 13 (Blur), Think Tank (Blur) sowie Gorillaz (Gorillaz). „Hey, what’s that? Your’re into Blur? How come?“ J. rollte nur mit den Augen. „Oh, come on, let’s talk about football!“
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